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Vorfälligkeitsentschädigung

 

Eine Vorfälligkeitsentschädigung soll den Schaden ausgleichen, der dem Darlehensgeber durch die vorzeitige Rückzahlung eines Darlehens entsteht.

 

Der Darlehensnehmer kann aus verschiedenen Gründen berechtigt sein, ein Darlehen ganz oder teilweise zu tilgen, schon bevor das Darlehen zur Rückzahlung fällig ist. In bestimmten Konstellationen schuldet der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber hierfür keine Entschädigung, insbesondere wenn entsprechende Sondertilgungsrechte vereinbart sind. In vielen Fällen ist die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags bzw. die vorzeitige Tilgung von Teilbeträgen hingegen nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung möglich.

 

Der Gesetzgeber hat nur für einen Teil der Darlehensverträge Regelungen über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung getroffen. Insbesondere bei der Finanzierung von Immobilien kommt es daher zwischen der Bank und dem Darlehensnehmer häufig zum Streit darüber, wie die Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen ist.

 

Maßgeblich ist zunächst die rechtlich geschützte Zinserwartung des Darlehensgebers. Eine Vorfälligkeitsentschädigung kann die Bank also grundsätzlich nur für die Zinsen verlangen, die sie erhalten hätte, wenn der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag zum nächstmöglichen Termin ordentlich gekündigt hätte.

 

Da häufig sehr lange Laufzeiten vereinbart werden, bestimmt § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, dass der Darlehensnehmer ein Darlehen mit gebundenem Zinssatz spätestens zehn Jahre nach vollständiger Auszahlung unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten kündigen kann. Rechtlich geschützt ist daher nur die Zinserwartung für maximal zehn Jahre und sechs Monate ab vollständiger Valutierung. Wird nach Auszahlung des gesamten Darlehenskapitals eine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz und/oder die Zeit der Rückzahlung getroffen, ist der Zeitpunkt dieser Vereinbarung maßgeblich für den Beginn der Zehnjahresfrist.

 

Insbesondere bei sogenannten Prolongationsvereinbarungen, die oft schon Jahre vor Ende des laufenden (unechten) Finanzierungsabschnitts geschlossen und teilweise unzutreffend als Forward-Darlehen bezeichnet werden, ist die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts des Beginns der Zehnjahresfrist aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB entscheidend für die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung. Nach zutreffender Auffassung beginnt die Zehnjahresfrist bereits mit Abschluss der neuen Vereinbarung, nicht erst mit Beginn des neuen (unechten) Finanzierungsabschnitts (OLG München, Urteil vom 24. April 2017 – 19 U 4269/16; LG Berlin, Urteil vom 5. Oktober 2017 – 10 O 318/16). Will ein Darlehensnehmer einen solchen Kredit vorzeitig ablösen, sollte er sich unbedingt von einem Rechtsanwalt zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung beraten lassen. Berechnungen von Banken sind häufig um mehrere zehntausend Euro überhöht. Soweit eine bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen überhöht war, kann sie in vielen Fällen zurückgefordert werden.

 

Bei der Ermittlung des Schadens, der dem Darlehensgeber durch die Rückzahung des Darlehens vor Fälligkeit entsteht, sind die Vorteile, die er dadurch erlangt, in Abzug zu bringen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass das Kreditinstitut das vorzeitig zurückgewährte Kapital wieder anlegt. Des Weiteren sind die ersparten Risikokosten in Abzug zu bringen. Denn der Darlehensgeber muss nach der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens das Kreditausfallrisiko insoweit nicht mehr absichern. Zudem sind die durch die vorzeitige Vertragsbeendigung ersparten Verwaltungskosten anzurechnen. Im einzelnen ist oft streitig, wie hoch diese ersparten Kosten sind. Auch hierzu ist eine Beratung durch einen Rechtsanwalt zu empfehlen. Insgesamt kann an dieser Stelle nur ein erster Überblick zum Thema Vorfälligkeitsentschädigung gegeben werden, der eine auf den konkreten Fall bezogene Beratung durch einen Rechtsanwalt nicht ersetzen kann.

Rechtsanwalt Martin Büchs, Mittelstraße 55, 10117 Berlin